Hier können Sie die Andacht von Pfarrer Ullrich auch als PDF herunterladen:
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Geschwister,
wenn wir am Sonntag den Gottesdienst besuchen, hören wir meist direkt zu Beginn den Wochenspruch. Dieser Wochenspruch ist so etwas wie eine Überschrift über die gesamte Woche.
Er lautet für diese Woche:
»Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.« (Gal 6,2)
Das ist also die Überschrift über diese Woche. Und, wie geht es Ihnen, wenn Sie diesen Vers lesen? An welchen Worten bleiben Ihre Gedanken haften?
»Last«? Ja, von Lasten und Belastungen hören wir viel in der Krise. Manches belastet uns vielleicht selbst. Die Sorge um die eigene Gesundheit, oder um die meiner Lieben, die Sorge um meinen Arbeitsplatz, oder die Sorge, wie es mit meiner Gemeinde und dem Gemeindeleben weitergehen kann – all das kann zur Last werden, an der ich zu tragen habe.
»Jeder hat so sein Päckchen zu tragen« - so formuliert es der Volksmund.
Und weil das so ist, erscheint der Wochenspruch manchen Menschen wie eine zusätzliche Last, die ihnen auferlegt wird.
»Wie soll ich das nur schaffen? Ich selbst habe doch schon an meinen Lasten genug zu tragen. Da soll ich jetzt auch noch die Lasten der anderen tragen?«
Dazu passt dann auch noch, dass vom Gesetz Christi gesprochen wird. Last und Gesetz, das sind nicht gerade Begriffe, die uns beschwingt durch den Alltag gehen lassen.
Wenn wir den Wochenspruch so lesen, dann wird er uns selbst zur Last, und wir können froh sein, dass diese Last uns dann am kommenden Sonntag durch den neuen Wochenspruch abgenommen wird.
Vielleicht lassen sich aber auch andere Gedanken mit dem aktuellen Wochenspruch verbinden.
Einer dieser Gedanken ist die Gemeinschaft. Der Wochenspruch nimmt den Leser und die Leserin mit hinein in die Gemeinschaft. Denn es geht darum, dass dieser Satz der christlichen Gemeinde gesagt wird. In dieser Gemeinschaft ist es so, dass einer des anderen Last trägt.
Ja, ich trage des anderen Last, und ja, der andere trägt meine Last. So tragen, stützen und unterstützen Christen sich gegenseitig, leben Gemeinschaft.
Der Mittwoch teilt die Woche in zwei Hälften. Eine dieser Hälften liegt nun schon hinter uns. Lassen Sie uns die Gelegenheit nutzen inne zu halten und zu fragen: »Habe ich das vielleicht in den zurückliegenden Tagen schon erfahren, dass auch ich mit meinen Lasten getragen bin?«
Das »Ich denke an dich.« eines lieben Menschen, das »Offene Ohr am Telefon«, das »Stumme, aber wissende Nicken«, das »Kann ich dir etwas einkaufen oder mitbringen?« - manchmal sind es die kleinen Dinge, die uns Lasten abnehmen und uns das Gefühl geben, getragen zu sein. Das macht den Kopf, das Herz und die Hände frei, weil die eigene Last nicht allein mit den eigenen Gedanken, Gefühlen und der eigenen Kraft getragen werden muss.
Einige Zeilen zurück habe ich es schon geschrieben. Der Mittwoch teilt die Woche in zwei Hälften.
Das bedeutet dann auch, dass eine dieser Hälften nun vor uns liegt. Und wir können uns fragen, was wir tun können, um die Last anderer zu tragen.
Zunächst muss ich bereit sein, die eigenen Lasten auch von anderen mittragen zu lassen. Das ist nicht immer leicht, denn häufig stehen uns unser eigener Stolz und unser eigener Ehrgeiz im Weg und lassen uns unsere Lasten festhalten. Denn wir wollen es häufig doch lieber allein schaffen.
Aber wenn ich meine Lasten nicht loslassen kann, dann wird mein Kopf, mein Herz und meine Hände nicht frei für die Last des anderen, und ich selbst bin schnell am Ende meiner eigenen Kraft. Deshalb: Lasten abgeben und loslassen.
Und dann brauche ich offene Augen und Ohren, muss hinschauen und hinhören, will ich die Lasten erkennen, an denen andere schwer zu tragen haben.
Ich bin mir sicher, dass wir in den vor uns liegenden Tagen dieser Woche noch viele Gelegenheiten entdecken, wo wir einander Lasten abnehmen können, einander tragen können.
Vielleicht sind wir es dann, die zur richtigen Zeit dem richtigen Menschen ein gutes Wort zusprechen, mit einem einfühlsamen Blick Hoffnung schenken oder mit einem beherzten Anpacken den Alltag zu bewältigen helfen.
»Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.« (Gal 6,2)
Stellen wir uns in die Gemeinschaft und tragen je die Last des oder der anderen, dann wird die Liebe zu Gott und zu unserem Nächsten, dann wird das Gesetz Christi, dann wird der Wochenspruch lebendige Realität, die nicht Lasten auferlegt, sondern hilft, sie zu tragen.
AMEN
Pfarrer Hans-Paul Ullrich