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Es ist Ferienzeit, und damit Zeit für die Frage: Berge oder Meer?
Schauen wir doch mal in die Lutherbibel!
Der Berg taucht hier 300mal auf, und damit etwas häufiger als das Meer (200mal). Das liegt auch daran, dass Berge in der Antike heilige Orte waren, nah am Himmel und nah bei Gott.
Das Meer steht eher für Gefahr: Die Sintflut rafft fast die ganze Schöpfung hinweg, das Schilfmeer verschlingt das ägyptische Heer, Jona bekommt es im Meer mit einem Walfisch zu tun und Paulus erleidet Schiffbruch vor Malta. Hier und an anderen Bibelstellen steht das Meer für die Macht des Schöpfers, angesichts derer wir Demut und Gottvertrauen lernen sollten. In dieser Absicht malt sich der Psalmbeter dutzende Male das Meer vor das innere Auge.
Auch Hiob lässt sich von der überlegenen Weisheit des Schöpfers überzeugen, als dieser bildreich und detailliert sein nasses Werk anpreist (Hiob 38,8-11.16). Ebenso versetzt das Meer den Prediger Salomo in Staunen: „Alle Wasser laufen ins Meer, doch wird das Meer nicht voller; an den Ort, dahin sie fließen, fließen sie immer wieder.“ (Prediger 1,7).
Das geheimnisvolle und unerforschliche Meer wurde in nachbiblischer Zeit zur Metapher für die Seele. In der Seele spiegeln sich spätestens seit Augustin die Weite der Welt und die unendliche Güte Gottes. So dichtete Paul Gerhardt: „O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich [Jesus] möchte fassen!“ (EG 37). Versteht man das Leben als eine „Fahrt durch das Meer“, nämlich das „Meer der Zeit“ (EG NB 572), dann ist Leben auch die Kunst, auf dem unergründlichen Meer der eigenen Seele zu steuern. Tiefenpsychologisch gesehen ist das Meer das Symbol für das Unbewusste und die Matrix (von lat. mater), d.h. die Mutter, aus der wir kommen. All dies mag erklären, wieso das Anbranden der Wellen und der Anblick des im Sonnenlicht glitzernden Wassers für viele Menschen eine quasi-mystische Erfahrung ist. Wer dem auf die Spur kommen möchte, der betrachte die „Seestücke“ von Gerhard Richter oder Caspar David Friedrichs Meer-Ansichten.
Also nochmal: Berge oder Meer? Viel spricht für das Meer! Was meint ihr?
Quelle: Instagram-Kanal der EKD: https://www.instagram.com/p/CDeKBFsiGeU/