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Denn Du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.
Psalm 63,8

In den letzten Jahren habe ich das Buch der Psalmen immer mehr zu schätzen gelernt.

Die Psalmen zeigen mir, dass damals Menschen lebten, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie wir und ähnlich mit ihnen umgehen. Die Psalmen sprechen für mich nicht nur in die damalige historische Situation hinein. Sie sind offen für jede Gegenwart.

Die Betenden äußern sich voller Freude, voller Lob und Dankbarkeit für Gottes Schutz und Trost. Sie sind voller Hoffnung, dass etwas Besseres in der Zukunft liegt. Sie klagen. Weil es vieles gibt, was sie trauern und traurig sein lässt. Manchmal sind ihre Worte sehr harsch, unangenehm und schwer auszuhalten. Aber die Betenden teilen Gott deutlich mit, wie es ihnen geht, was sie beschäftigt und betrübt oder erfreut. Das gefällt mir.

Der Monatsspruch für August steht in Psalm 63, Vers 8:
Denn Du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.

Unter dem Schatten deiner Flügel – ein schönes Bild. Gott wird hier mit einem Vogel verglichen, der seine Jungen beschützt, indem er seine Flügel um sie legt. Mit einem Vogelweibchen, dass seine Jungen vor Kälte, Nässe und Fressfeinden bewahrt, damit sie gut behütet und sicher ins Leben fliegen können.

Das Bild beschreibt, wie Gottes Hilfe aussieht: Wir können uns bei Gott wie die Jungen sicher und geborgen fühlen durch seine schützenden Flügel. Gott nimmt uns mit diesem Bild wörtlich unter seine „Fittiche“ – vielleicht kennen Sie das Sprichwort. Fittich ist ein anderer Begriff für den Flügel eines Vogels.

Schön finde ich an diesem Monatsspruch auch das „Frohlocken“, das durch die flügelnde Umarmung geschieht. Es kann auch bedeuten, zu jubeln, Gott zu preisen oder zu genießen. Die Jungen haben so wenig Angst, fühlen sich so sicher, dass sie ausgelassen sein können.

Wie ist das aber mit den beschützenden Flügeln, wenn es schwierig wird? Wenn es in meinem Leben stürmisch zugeht? Wenn ich spüre, wie kaltes Nass sich meiner bemächtigen will. Oder jemand bedrohlich seine Kreise zieht, wie ein Raubvogel darauf wartend, dass sich eine günstige Gelegenheit ergibt, zuzuschlagen. In solchen Augenblicken, solchen Zeiten, scheint Gott für mich manchmal fern. Da fehlt mir das Gefühl, dass mich wärmende Flügel umgeben. Das Gefühl von Sicherheit. Vielmehr ist für mich das Unwetter präsent, das mich wacklig im hohen Nest sitzen lässt. Darauf schaue ich.

Die Jungen in der Wildnis spüren auch täglich drohende Gefahr und suchen den Schutz ihrer Mutter. Sie laufen zu ihr, um ihr nahe zu sein und unter ihr schützendes Gefieder zu schlüpfen, bewahrt vor der Außenwelt. Wie kann ich denn die Nähe Gottes suchen, sein Gefieder finden, wenn er mir weit weg scheint und mir Geborgenheit fehlt?

Die Psalm-Betenden haben sich mit ihren Gebeten an Gott gewandt. Im Gebet kann ich wie sie Gott meine Gedanken mitteilen, auch meine Dankbarkeit über Schönes. Alles kann ich Gott erzählen. Im Beten ist nicht nur Platz für lobende Worte, sondern für all das, was mich beschäftigt. In den Psalmen finden sich viele Verse, die Klage ausdrücken, Hilflosigkeit und Wut, weil Gott abwesend scheint und seine Hilfe nicht spürbar ist („Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne“, Psalm 22,2). Trotzdem kann ich Gott im Gebet suchen, zu ihm laufen wie die Jungen zu ihrer Mutter. Denn im Beten sind seine Flügel zu entdecken!

Ich finde es bei vielen Psalmen interessant, dass sich in ihnen eine Wandlung vollzieht.

Am Gebetsanfang klagen die Betenden Gott ihr Leid. Am Ende danken sie Gott, sie hätten Zuversicht und Gewissheit gewonnen, dass Gott ein Helfender sei („weil du mir beistehst und mich tröstet“, Psalm 86,17).

Ich kann bei Gott klein sein wie die Vogeljungen. Vielleicht hilft mir ein Gebet wie den Psalmbetenden damals. Sobald ich alles Gott mitteile, verschwindet meine eigene Last, verschwinden meine eigenen Sorgen zwar nicht. Aber ich bin nicht alleine „Leidtragende“. Gott trägt mit. Dann stellt sich vielleicht auch Erleichterung ein, oder eine Leichtigkeit und mir geht es besser. So, wie es mir geht, wenn ich einer guten Freundin, meinem Partner alles erzählen kann, was mich belastet. Im Vertrauen darauf, dass meine Sorgen bei der Person gut aufgehoben sind.

Gott nimmt mich unter seine Fittiche.
Gott hilft mir, wenn ich bei ihm Schutz suche.
So wage ich von Gott beflügelt das Leben.

Pfarrerin Janne Holzmann