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"Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht" (Lk 21,28)

Liebe Leser, lassen Sie mich zu diesem Bibelvers am 2. Advent drei kurze Gedanken versuchen:

1. DER GEBEUGTE GANG
In dieser Jahreszeit, zu Herbst und Winter, geht man schon als Schutz vor der Witterung oft mit dem Kopf nach unten, damit das Gesicht vor Schnee oder kalten Wind geschützt ist. Man kann es auch im übertragenen Sinn sehen: im Herbst des Lebens geht der Mensch gebeugter.
Da sind im persönlichen Bereich Dinge passiert, die unsere Körperhaltung, vielleicht ganz unmerklich, verändert haben.
Oft ist es so: Der junge Mensch am Anfang seines Lebenslaufes ist optimistisch, denkt hoch von seinen eigenen Möglichkeiten, ist vielleicht auf eine nette Art ein bisschen frech, lustig, hat den Kopf grade auf den Schultern und blickt keck nach vorne. Dreißig Jahre später hat sich das etwas geändert, man ist vorsichtiger, hat ein paar Rückschläge in den Kleidern stecken oder in der Seele.
Aber auch die globale Perspektive verändert unsere Haltung: Wir sehen unerträgliche Bilder aus dieser verkehrten Welt. Wir hören ungeheuerliche Informationen über menschliche Lebensumstände. Und hören von der Gleichgültigkeit, Fahrlässigkeit, ja dem bewussten Berechnen und Planen solcher Umstände bei einzelnen Verantwortlichen.

2. DER ERHOBENE BLICK
"Seht auf" – wird uns aber nun gesagt. Ein neues Ziel wird uns gezeigt, ein anderer Blickpunkt. In der Malerei oder in der Fotografie gibt es den Begriff des Fluchtpunktes im Bild. Die Linien laufen perspektivisch darauf zu und die Geometrie, der Bildaufbau richten sich danach. In Bildbearbeitungsprogrammen kann man sogar diesen Fluchtpunkt verschieben – und es verändern sich die Linien im Bild, aus einer fallenden Linie kann eine steigende werden.
   Oder ein anderes Beispiel:
Wenn man im Geröllfeld oder im Dickicht, im unübersichtlichen Gelände eine Wanderung macht, ist es ein großer Vorteil, wenn man einen Zielpunkt sehen kann.
Die Schwierigkeiten vor meinen Füßen kann ich meistern, wenn ich darauf sehe. Deshalb der letzte Gedanke:

3. DER KOMMENDE HERR
ER kommt, ER ist nah – das ist die Begründung, weshalb wir den Blick erheben können. "Erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht". Der Erlöser kommt und bringt die Erlösung. Das ist ein starkes Wort. Denn Erlösung – das kann ich nicht selbst.
In der Umgangssprache gibt es die Redewendung: 'Da war ich aber erlöst' – wenn ein erhebliches Problem bestanden hat, das ich alleine nicht beheben konnte. Wenn mir jemand dann hilft, sage ich: Da bin ich erlöst  worden. Das ist passiv.
Und so verhält es sich auch bei unserem Wochenspruch.
Erlösung heißt: Ich kann meine Last ablegen, sie unter die Krippe von Bethlehem legen, sie unter das Kreuz von Golgatha legen. Bethlehem und Golgatha sind die beiden Eckpunkte im Leben des Mannes JESUS Christus, der auf diese Welt kam uns mit GOTT zu versöhnen. Dessen Liebe zu uns so groß ist, dass er etwas unternehmen musste, damit wir unter den Lasten nicht zusammen brechen. Erlösung heißt, von den Lasten abgelöst zu werden. Ein Anderer nimmt sie.

Aber was ist unsere Last, die uns beugt?
Last ist das, was andere mir zumuten, auflegen, womit sie mich überfordern.
Last ist manchmal auch, was ich selbst mir auflege, weil meine Ansprüche zu hoch und meine Motive zu eitel sind. Last hat aber auch mit meiner Schuld was zu tun.
Ich bin unter den Menschen mit dem gebeugten Gang nicht nur Gebeugter, sondern selbst einer, der Mitschuld hat, dass Andere den Kopf senken mussten. Bin nicht nur Opfer, sondern durchaus auch Täter.

Aber nun brauchen wir nicht mehr auf diese Lasten blicken. Wir dürfen nach vorne schauen auf den Erlöser, der uns entgegen kommt. Dessen Geburt wir erwarten in der Adventszeit. Und den Blick heben. Aus der fallenden kann eine steigende Linie werden. Vom gebeugten Gang können wir zum erhobenen Blick kommen. Wegen des kommenden Herrn.

Ich wünsche Ihnen mit dieser Perspektive einen gesegneten Advent,

Pfarrer Frank Schröder